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Nach „Frauen, Frieden und Sicherheit“ weitere UN-Resolutionen gegen Kriegsgewalt.

Resolution 1820

(verabschiedet vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 19.06.2008)

Resolution 1820 wurde weltweit von vielen Seiten als weiterer wichtiger Schritt im Engagement gegen sexualisierte Gewalt in bewaffneten Konflikten bezeichnet: Erstmal definierten die Vereinten Nationen sexualisierte Gewalt als „Kriegstaktik“ und klassifizierten sexualisierte Gewalttaten als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Mit der Feststellung, dass es durch die Anwendung dieser Gewaltform zu einer Gefährdung des Weltfriedens kommen könne, gibt der Sicherheitsrat zudem zu, was er lange geleugnet hat: Die Bekämpfung sexualisierter Gewalt in bewaffneten Konflikten fällt in seinen Aufgabenbereich.

Mit der Möglichkeit des Verhängens von Sanktionen gegen Staaten, in denen es zu „sexueller“ Kriegsgewalt kommt, nennt der Sicherheitsrat eine der härtesten Bestrafungen, die es in seinem methodischen Repertoire gibt. Es sind jedoch meist nichtstaatliche Gewaltakteure, die systematisch sexualisierte Gewalt anwenden und nicht direkt durch Sanktionen bestraft würden. Die gewünschte Wirkungskette ist sehr lang: Der Staat soll für sein Nicht-Eingreifen bestraft werden, um dann selbst zu strafen. Es wird erfahrungsgemäß dauern, bis sich der Leidensdruck so weit erhöht hat, dass er sich positiv auf die gewünschte innerstaatliche Strafverfolgung auswirkt. Außerdem ist bekannt, dass Sanktionen - selbst wenn sie staatliche Institutionen direkt treffen sollen - häufig nicht die gewünschte Wirkung erzielen. Dies hängt jedoch mit dem grundsätzlichen institutionellen Aufbau der Vereinten Nationen zusammen. Innerhalb dessen bleiben Sanktionen eine der härtesten möglichen Bestrafungen, die durch den Sicherheitsrat verhängt werden können.

Zum Stand der Umsetzung von Resolution 1820

In seinem Bericht zur Umsetzung von Resolution 1820 im Sommer 2009  bewertete Generalsekretär Ban Ki Moon die mangelnde Straflosigkeit in Fällen sexualisierter Gewalt als größtes Hindernis in der Umsetzung der Resolution. Des Weiteren müssten die in der Resolution angesprochenen (trans-)nationale Mythen, die Verbindungen zwischen Männlichkeit und sexualisierten Gewaltverbrechen herstellen, dekonstruiert werden. Gerade die mangelnde Straflosigkeit stellt weiterhin ein großes Problem dar, wie auch im Folgenden deutlich gemacht werden soll.

In der Resolution 1820 forderte der Sicherheitsrat seine Mitgliedsstaaten gerade auch zu einer besseren Erfassung und Bestrafung „sexueller“ Gewalt während und nach bewaffneten Konflikten. Auch die Forderung nach einem allgemein besseren Schutz der Zivilbevölkerung wurde formuliert. Gerade der Bereich der „Nachbearbeitung“ solcher Verbrechen ist aber in den meisten Fällen noch äußerst unzureichend. Von einer gelungenen Umsetzung der Resolution kann leider noch keine Rede sein. Im Folgenden soll an zwei Fälle beispielhaft verdeutlicht werden, wo hierbei die Hauptprobleme, aber teilweise auch Fortschritte zu beobachten sind:

Bosnien und Herzegowina

Amnesty International mahnt in einem Report von September 2009 an, dass vielen Frauen und Mädchen, die in den Jugoslawienkriegen zu Beginn der 1990er Jahre Opfer sexualisierter Gewalt wurden, immer noch keine juristische Gerechtigkeit widerfahren ist:

„To this day, survivors of these crimes have been denied access to justice. Those responsible for their suffering, members of military forces, the police, paramilitary groups, walk free. Some remain in positions of power or live in the same community as their victims.” (Nicola Duckworth, Leiterin des Europa- und Zentralasien Pogramm von Amnesty International).

Der Report zeigt auch auf, dass es sich hierbei keineswegs um Einzelfälle handelt: So war der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien bis Juli 2009 lediglich in der Lage 18 (!) Fälle sexualisierter Gewalt zu verfolgen. Von der für Kriegsverbrechen zuständigen Kammer des nationalen Gerichts in Bosnien und Herzegowina wurden bis heute 12 (!) Männer wegen sexualisierten Gewaltverbrechen verurteilt.

Demokratische Republik Kongo

Bis heute werden gerade im Osten der DR Kongo Mädchen und Frauen, aber auch Jungen und Männer weiterhin Opfer sexualisierter Gewalt durch verschiedene Konfliktparteien. Die Übergriffe finden häufig auf der Flucht oder in Flüchtlingslagern statt. Von einer geforderten Verbesserung des Schutzes der Opfer kann nicht die Rede sein. Die Bewertung der (juristischen) Nachbearbeitung ist hingegen zweigeteilt:

„Es gibt erkennbare Fortschritte in der Verfolgung einfacher Soldaten für sexuelle Gewalttaten. Aber leitende Offiziere bleiben nach wie vor unbehelligt. Die von ihnen selbst und unter ihrem Kommando begangenen Verbrechen müssen untersucht und strafrechtlich verfolgt werden.“ (Juliane Kippenberg, Afrika-Researcherin der Abteilung Kinderrechte von Human Rights Watch)

Die kongolesische Ministerin für Gender, Familie und Kinder, Marie-Ange Lukiana, sieht den Kampf gegen sexualisierte Gewalt als eines ihrer Hauptanliegen. So ist ihr besonders an der Umsetzung der „Comprehensive Strategy on Combating Sexual Violence in DRC” der Vereinten Nationen gelegen. Diese hat ehrgeizige Ziele: So soll die Straflosigkeit der Täter bekämpft, Schutz und Präventionsstrategien verbessert, das Vorantreiben der Reform des Sicherheitssektors der VN unterstützt sowie eine  multisektorale Gesundheitsvorsorge, die auch mit der Unterstützung und der Reintegration der Opfer befasst ist, entstehen. Im Juni 2008 verkündete das Justizministerium eine „Road Map“ im Kampf gegen sexualisierte Gewalt, die ein Sechs-Punkte Programm beinhaltete.

Besonders wichtige Elemente waren hier ein standardisiertes Zertifikat zur Untersuchung von Opfern sexualisierter Gewalt sowie das Ziel, mehr weibliches Personal in der Strafverfolgung einzusetzen. Auch die Frau von Präsident Joseph Kabila, Olive Lemba Kabila, unterstützt nationale Aktionen gegen sexualisierte Gewalt, zuletzt eine Kampagne, die unter dem Motto „Je dénonce“ („Ich prangere an“) Unterschriften gegen sexualisierte Gewalt sammelte.

Die größten Probleme bleiben das weiterhin schwache Justizsystem sowie die Tatsache, dass Bestrafungen meist die Soldaten unterer Ränge treffen und höher Gestellte straflos bleiben. Des Weiteren ist die psychologische Aufarbeitung immer noch fast ausschließlich in der Hand transnationaler Hilfsorganisationen und Geldgeber. Hier ist die  Förderung kongolesischer Initiativen dringend notwendig.

Allein diese beiden Fälle machen deutlich, dass es weiterhin erhebliche Probleme bei der juristischen Aufarbeitung sexualisierter Gewalt gibt. Dies betrifft auch andere Gebiete mit andauernden oder beigelegten innerstaatlichen Konflikten. Auch was die Verhinderung sexualisierter Gewalttaten und den Schutz der Betroffenen angeht, kann keineswegs von einer zufriedenstellenden Umsetzung der Resolution 1820 gesprochen werden. Insgesamt kommen die meisten Initiativen gegen sexualisierte Gewalt (leider) immer noch von Nicht-Regierungs-Organisationen. Auch wenn mit den Resolutionen des Sicherheitsrats in erster Linie Organisationen auf staatlicher Ebene aufgefordert sind, Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Resolution 1888
(verabschiedet vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 30.09.2009)

In Resolution 1888 zeigt sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen aufgrund ausbleibender Fortschritte im Kampf gegen „sexuelle“ Gewalt in bewaffneten Konflikten weiterhin „besorgt“. Namentlich angesprochene Opfer sind hierbei weiterhin Frauen und Mädchen, die als Mitglieder der „Zivilbevölkerung“ zudem besonderen Schutz genießen (sollten). „Sexuelle“ Gewalt wird wie schon in Resolution 1820 als mögliche Kriegstaktik und als solche weiterhin als Gefährdung des Weltfriedens klassifiziert.

Als Strategie schlägt der Sicherheitsrat die Ernennung eines Sonderbeauftragten [sic!] vor und fordert beteiligte Staaten auf, die Arbeit der juristischen Verfolgung „sexueller“ Straftaten und besonders den Opferschutz zu verbessern. Zudem sei es laut Sicherheitsrat wichtig, Frauen stärker an politischen Entscheidungsprozessen sowie innerhalb Institutionen wie Polizei und Militär zu beteiligen. In der Resolution wird außerdem festgehalten, dass dem Sicherheitsrat weiterhin jährlich ein Bericht zur konkreten Umsetzung von Resolution 1820 vorgelegt werden soll. Der nächste Bericht muss demnach spätestens im September 2010 vorliegen.

Auch wenn in der Resolution auf die aktiven (friedensstiftetenden) Rollen eingegangen wird, die Frauen in bewaffneten Konflikten einnehmen können, bleibt der Sicherheitsrat in diesem Punkt erneut bei einer einseitigen Opfer-Täter-Dichotomie, die sich am biologischen Geschlecht orientiert. Männer sind so weiterhin als mögliche Opfer sexualisierter Gewalt ausgeschlossen, ebenso wie Frauen als mögliche (Mit-)Täterinnen keine Beachtung finden.

Der Vorschlag, eine_n Sonderbeauftragte_n zu ernennen, und auch die Aufforderung zur Verbesserung des Opferschutzes an die Mitgliedsstaaten sind zwar begrüßenswert, gehen aber noch nicht weit genug. Was sollen konkrete Aufgaben und Kompetenzen des_der Sonderbeauftragten sein? Auch sollte darüber nachgedacht werden, ob für den existenziellen Themenkomplex des Opferschutzes nicht endlich ein internationaler Normenkatalog verabschiedet werden kann. Hier sind die betroffenen Staaten auf internationale Unterstützung angewiesen.

Zur Forderung nach stärkerer Beteiligung von Frauen an Friedensprozessen und anderen politischen Lösungen sowie in Institutionen wie Polizei und Militär lassen sich mehrere Punkte anmerken:
- Frauen müssen ohne Zweifel noch stärker als bisher an politischen Entscheidungsprozessen, gerade auch in der Zeit nach bewaffneten Konflikten, beteiligt werden: Entscheidungen, die ohne Beteiligung der Hälfte der Bevölkerung getroffen werden, sind instabile politische Lösungen und nicht tragbar.  Beim zweiten Punkt, der Beteiligung von Frauen an Polizei und Militär, ist allerdings Vorsicht vor übereiligen Schlüssen geboten: Eine Vielzahl von Studien hat gezeigt, dass die bloße Beteiligung von Frauen nicht automatisch zu mehr Geschlechtergerechtigkeit führt (vgl. bspw. das Militär in  Israel). Zudem werden die Soldat_innen und Polizist_innen während der Arbeit im stark patriarchal geprägten Umfeld oftmals selber Opfer sexualisierter Gewalt durch ihre Kolleg_innen. So wird der Tatort lediglich in die eigene Gruppe hineinverlegt und sexualisierte Gewalt findet weiter statt.

Zur erneut genannten Möglichkeit bei Nicht-Umsetzung der Resolution, Sanktionen zu verhängen, betonte Robert Perito, Peacekeeping Experte und Direktor des „Center for Security Sector Governance” am „United States Institute of Peace” gegenüber der „Huffington Post”, wie wichtig es sei, dass Sanktionen als mögliches Druckmittel erneut in die Resolution aufgenommen worden sind. In Situationen, in denen Soldaten oder die Polizei zu sexualisierten Gewaltmitteln greifen, gäbe es kaum andere Möglichkeiten, dies zu verhindern, als die Etablierung internationaler Normen, die die nationalen Führer in die Verantwortung zu nehmen.

Resolution 1889
(verabschiedet vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 05.10.2009)

Inhaltlich stellt die Resolution 1889 keine große Veränderung zur vorhergegangenen Resolution 1888 dar. Als neuer und wegweisender Fortschritt ist jedoch die Festlegung genauer Zeiträume für die Erfüllung bestimmter Bedingungen seitens der Mitgliedsstaaten zu nennen. So muss innerhalb von sechs Monaten ein Katalog mit Indikatoren zur Prüfung der Durchführung von Resolution 1325 auf globaler Ebene vorgelegt werden. Die Indikatoren sollen innerhalb der Institutionen der VN sowie innerhalb der Mitgliedsstaaten im Jubiläumsjahr 2010 und darüber hinaus Grundlage der Berichterstattung sein. Außerdem soll innerhalb von zwölf Monaten über die Beteiligung von Frauen an der Friedenskonsolidierung Bericht erstattet werden. Hierbei stehen die besonderen Bedürfnisse von Frauen und Mädchen in Post-Konflikt-Situationen sowie Möglichkeiten zur Verbesserung ihrer Situation und eine stärkere Beteiligung an friedenskonsolidierenden Maßnahmen im Mittelpunkt.

Die Tatsache, dass Frauen in Resolution 1889 erneut als (friedliche) Akteurinnen Beachtung finden, ist positiv zu bewerten. Zwar betont dies weiterhin einseitig deren angebliche Friedfertigkeit, andererseits gelingt aber so endlich ein kleiner Schritt weg vom passiven Opferstatus. Dies betonte auch Asha Hagi Elmi Amin, die sich als Sprecherin der „NGO Working Group on Women, Peace and Security“ an den Sicherheitsrat wandte: „We also welcome the continued recognition that women in conflict situations are not only victims, but also powerful agents for peace and security in their communities.”

Fazit

Nach Resolution 1325 war die Verabschiedung von Resolution 1820 ein überfälliger, notwendiger Schritt hin zum besseren Schutz von Frauen und Mädchen in bewaffneten Konflikten. Fehlender politischer Wille und teilweise auch Unvermögen der betroffenen Staaten sorgen bis heute jedoch für eine unzureichende Umsetzung. Auch die Möglichkeit des Bestrafens durch Sanktionen hat daran nichts geändert.

Mit der Festlegung genauer Zeiträume für die Nennung von Indikatoren, mit Hilfe derer sich die Umsetzung von Resolution 1325 überprüfen lässt, sowie die Einforderung eines Berichts zur Situation von Frauen in der Zeit nach gewalttätigen Konflikten, hat der Sicherheitsrat in Resolution 1889 endlich konkrete Überprüfungs- und Evaluationsmechanismen genannt. Die Zeiträume, innerhalb derer die Mitgliedsstaaten die Berichte liefern sollen, sind mit sechs beziehungsweise zwölf Monaten allerdings sehr kurz bemessen.

Quellen und weiterführende Informationen:

 
 

UN-Resolutionen Hintergrund